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IM ASPHALTMISCHWERK – EIN ERLEBNISBERICHT

Als in einer Ausschusssitzung wieder einmal die Empörung von Bürgen über Umweltbelastungen durch das Asphaltmischwerk hohe Wellen schlug, legte die Stadtverwaltung im Foyer der Begegnungsstätte eine Liste aus, in die man sich für die Teilnahme an einem Runden Tisch eintragen könne.

Schon Monate zuvor hatten Wahlstedter Bürger einen Runden Tisch gefordert, an dem Werksvertreter und alle beteiligten Behörden teilnehmen sollten. Daraus wurde nichts.

Gesagt, getan - etwa zehn anwesende Bürger trugen sich ein. Wer später davon erfuhr und sich im Rathaus nachträglich eintragen wollte, wurde beschieden, diese sei „geschlossen“.

Bereits im Vorfeld der angekündigten Veranstaltung wurde klargestellt: Es werde kein Runder Tisch und kein Gespräch stattfinden, sondern eine Werksbegehung,  bei der man Fragen stellen könne.

Endlich war es soweit! Montag, 25. November, 14 Uhr, Termin im Werk.

Außer einigen Bürgern erwartete uns eine erstaunlich große Gruppe mit Vertretern aus Lokalpolitik und Stadtverwaltung. Pressevertreter haben wir nicht gesehen.

Da während der Begehung die Produktion weiterlief, konnten aus Sicherheitsgründen nur ausgewählte Bereiche betreten werden. Der Betriebsleiter, Herr Langehein, und sein Mischmeister führten die Besucher herum. Manche Fragen und Antworten der verschiedenen Grüppchen gingen leider im Betriebslärm unter.

Was haben wir erfahren?

1. Aus dem Schornstein komme nur Wasserdampf, das sehe man schon an den weißen Abgaswolken.

Allerdings musste der Werksleiter hier einräumen, dass die Wolken aktuell grau waren. Aus eigener Beobachtung sei erwähnt, dass sie uns auch in den Varianten braun und schwarz sehr vertraut sind.

2. Ein Staubfilter sorge dafür, dass nur wenig Staub aus dem Schornstein komme.

Anwohner aber stellen regelmäßig fest, dass es seit Jahren erhebliche Staubwinde ins Wohngebiet gibt. Fenster, Gartenmöbel, Autos müssen häufig  gereinigt werden, Oberflächen werden zerkratzt.
Analysen eines Fachlabors von Wischproben aus dem Wohngebiet wiesen  sechs giftige, krebserregende Arten von PAK (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) nach,  wie  z.B. Naphthalin.  Für PAK gibt es bisher europaweit keine gesetzlichen Grenzwerte.

3. Der Verladebetrieb des produzierten Asphalts findet im Freien statt.

Aus einem Rohr werden LKW unter hoher Geruchs- und Rauchentwicklung  mit ca. 40 Tonnen Asphaltmischung befüllt, fahren mit offener Ladefläche auf eine Waage. Erst dort wird der heiße, stinkende Asphalt mit einer Plane abgedeckt. Aussage des Betriebsleiters zur Frage nach dem „Stand der Technik“: „Zeigen Sie mir einen Betrieb in Deutschland, der das anders macht.“

Da muss der Laie natürlich zunächst einmal passen.

Wir haben allerdings anderenorts gesehen: Es geht auch mit kompletter Einhausung des Verladebetriebs mit Unterdruck, Absaugung der Gerüche und Abdeckung der Ladefläche, bevor der LKW nach draußen fährt.

Es gibt auch technische Möglichkeiten, Geruchs- und Staubbelastungen an verschiedenen Stellen im Produktionsprozess durch Bedüsung mit Wassernebel zu verringern, aber das erfordere einen „noch höheren Trinkwasserverbrauch“.

Mögliche Schadstoffquellen einer Asphaltmischanlage. Quelle: Umweltnetzwerk

4. „Im Werk wird kein gummimodifiziertes Bitumen produziert.“  

Woher also der Geruch nach verbranntem Gummi im Umfeld des Werks stammt, bleibt rätselhaft. Der Werksleiter räumt auf Nachfrage allerdings ein, dass  polymermodifiziertes Bitumen von Bedeutung ist. Ohne dieses elastische Material seien die Fahrbahnen schon nach  zwei Jahren wieder kaputt.

5. Im Werk werde kein giftiger Altasphalt verarbeitet.

Das sei  schon lange verboten. Woher der regelmäßig  wahrnehmbare Teergestank während des Produktionsprozesses  kommt, kann bislang niemand sagen.

6. Es werde nach wie vor mit einer Kaltzugabe bei der Herstellung gearbeitet. Ein Bescheid hierzu vom LLUR stehe noch aus.

In der Vergangenheit hat die Kaltzugabe zu erheblichen Geruchs- und Staubbelastungen geführt, weil durch plötzliche Druckerhöhung und Undichtigkeiten im System Wasserdampf  und Abgase im Bereich der Trockentrommel und im Leitungssystem weit unterhalb des Schornsteins austreten können.

7. Fahrzeuge und Maschinen würden ausschließlich mit Wasser von den klebrigen Belägen gereinigt.

Der intensive beißende Geruch nach Lösungsmitteln (z.B. nachts oder in den frühen Morgenstunden in der näheren Umgebung des Werks) müsse andere Quellen haben.

8. Die verarbeiteten Materialien würden mit Wasser bedüst, um Staubentwicklung zu unterbinden.

Allerdings haben Anwohner, auch in den vergangenen und im laufenden Jahr, oft Staubwolken beobachtet, die in Wohngebiete ziehen und sich dort regelmäßig ablagern.

9. Leider blieben viele Fragen unbeantwortet (siehe Auflistung unten *), so z.B., ob die  vom LLUR festgestellten Undichtigkeiten in Trockentrommel und Abgassystem  inzwischen beseitigt wurden.

Viele Anwohner beklagen die seit etlichen Jahren immer wiederkehrenden Staub- und Lärmbelastungen durch LKW-, Bahn-, Bagger- und Radladerverkehr auf dem Gelände und im Gleisbereich, gegen die  - aus Sicht der Betroffenen - bisher keine nachhaltigen und befriedigenden Maßnahmen getroffen wurden. Eine wesentliche Ursache dafür ist die ständig beteuerte Nicht-Zuständigkeit aller beteiligten Stellen.

Und es war ganz schön laut. Auch stank es intensiv nach Asphalt, obwohl der Wind in entgegengesetzter Richtung wehte.

Zweck der Veranstaltung war nach Aussage unseres Bürgermeisters:

(Eine) […] Informationsrunde, bei der die Leitung des Werkes eine umfassende Information geben möchte. Vor Ort wird während der Produktion diese Besichtigung stattfinden und  Fragen und Beschwerden dann konkretisiert mit den dort handelnden Personen besprochen werden.

05.11.2019

und

Da es sich um eine Informationsveranstaltung für Anwohner mit ihren entsprechenden Fragen handelt, ist es sicherlich nicht notwendig, dass ein „Beistand“ teilnimmt, zumal diese Zusammenkunft mit der Möglichkeit des offenen Austausches von Fragen und Antworten durchaus auch lösungsorientiert, sachlich und deeskalierend sein soll.

11.11.2019

Ob solche hoch gesteckten Ziele wohl in diesem Veranstaltungsrahmen erreicht wurden?  

Befremdlich wirkten einige Bemerkungen anwesender Teilnehmer, nach denen wir gar nicht gefragt hatten (sinngemäß):

  • Asphaltduft ist wie Parfüm in meiner Nase.
  • Das Hauptproblem hier sind nicht die angeblichen Umweltbelastungen, sondern die vielen Rentner, die sich aus täglicher Langeweile damit beschäftigen.

Lokalpolitik auf  Wählerfang…

*) Teil II

Fragen zum „Runden Tisch“ / zur Besichtigung des Asphaltmischwerks

Hier einige beispielhafte Fragen, die sich Anwohner schon vor Begehung des AMW Wahlstedt stellten:

  1. Ist der Verladebereich für den produzierten Asphalt eingehaust und arbeitet mit Unterdruck?
  2. Falls nein: Für welchen Zeitpunkt ist eine entsprechende Modernisierung geplant?
  3. Wurden die vom LLUR kürzlich eingeräumten Undichtigkeiten im Umfeld der Trockentrommel beseitigt?
  4. Falls nicht: Wann sollen diese Mängel abgestellt werden? Und warum arbeiten Sie trotz dieser Mängel?
  5. Zum 01.10.2019 kündigte das LLUR eine Anhörung an zur Frage der Kaltzugabe von Asphalt, welche zu Überdruck im System und unerwünschten Emissionen unterhalb des Schornsteins führt. Wollen Sie diese Verfahrensweise beibehalten?
  6. Wie erklären Sie den Gestank nach Teer und Gummi im Umfeld des Asphaltmischwerks?
  7. Wie wollen Sie die Geruchsbelästigung reduzieren?
  8. Verwenden Sie Bitumen, der polymer- oder gummimodifiziert ist?
  9. Produzieren sie modifizierten Flüsterasphalt oder haben Sie ihn in der Vergangenheit hergestellt?
  10. Werden Sie in Zukunft auf die Beimischung von recyceltem Altasphalt verzichten?
  11. Mit welchen Methoden überprüfen Sie den Schadstoffgehalt von Ausbauasphalt vor dem Einbringen in den Herstellungsprozess? Welche Grenzwerte müssen Sie einhalten?
  12. Wie oft werden solche Überprüfungen vorgenommen? Werden diese protokolliert, archiviert und behördlich kontrolliert? In welchen Zeitabständen?
  13. Wie muss sich der Laie die Prüfung einer Charge konkret vorstellen? Dabei können doch eigentlich nur vereinzelte Stichproben genommen werden.
  14. Was halten Sie vom alternativen Einsatz von Öl oder Erdgas anstelle von Braunkohlestaub?
  15. Warum gibt es immer wieder Probleme mit mangelnder Befeuchtung bei Umschlag und Lagerung staubigen Materials sowie bei Reinigungsmaßnahmen? Z.B. haben wir bei Reinigungsvorgängen umfangreiche Staubnebel beobachtet, die über die Kronsheider Straße kamen.
  16. Welche Maßnahmen planen Sie zur Reduzierung von Staub und Lärm beim Gleisumschlag durch das Asphaltmischwerk und durch den Baustoffhandel Wegener?
  17. Sind Sie auch zuständig für den Betrieb in der Kiesgrube Wegener (Lagerung, Zerkleinerung, An- und Abfuhr)?
  18. Mit welchen Materialien und an welchem Ort reinigen Sie die Mischanlage und ihre Transportfahrzeuge von Asphaltrückständen? Intensive nächtliche Immissionen von Lösungsmitteldämpfen wurden wiederholt wahrgenommen.
  19. Wann helfen Sie, die Zuständigkeit der Behörden für die verschiedenen Betriebsbereiche zu klären?

Albert Holm

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