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Massives Artensterben in Schleswig-Holstein

Bereits im Jahr 1985 wurde ein Rückgang von Tier- und Pflanzenarten in Schleswig-Holstein festgestellt. Diese Situation hat sich seitdem  noch verschärft. Umweltminister Albrecht hat festgestellt, dass bereits die Hälfte aller Tier- und Pflanzenarten in Schleswig- Holstein ausgestorben bzw. vom Aussterben bedroht ist. Schaut man allerdings genauer hin, stellt man fest, dass die Situation für manche Tierarten dramatisch schlechter bestellt ist. Allein bei den Insekten wird ein Rückgang von 75% in der Tiermasse gemessen.

Die Ursachen sind seit Jahren bekannt.

„Als deutlicher Schwerpunkt unter den Rückgangsursachen zeichnet sich eine fast flächendeckende, intensive Landbewirtschaftung aus…“ (Landesamt Natur, 1985, Ursachen des Rückgangs von Pflanzen- und Tierarten).

Die industrielle Landwirtschaft heutiger Prägung ist gekennzeichnet durch eine Einengung der Fruchtfolgen und Anbausysteme,  eine Vergrößerung, Vereinheitlichung und Monotonisierung der Schläge durch Melioration und Düngung. Über die ausgebrachte Gülle wirken Tierarzneimittel wie Antibiotika oder Hormone aus der Nutztierhaltung auf die Ackerflächen ein.

Darüber hinaus kommen in starkem Maße Agrochemikalien zum Einsatz, mit z.T. langen Halbwertzeiten, die je nach Mittel von wenigen Tagen bis zu mehreren Jahren reichen können. Neben- und Wechselwirkungen sind weitgehend unbekannt.

Die inzwischen nachgewiesene Verfrachtung dieser Substanzen führt dazu, dass auch Lebensräume, in denen sie ursprünglich nicht ausgebracht wurden, von negativen Auswirkungen auf Flora und Fauna betroffen sind.

(Siehe unseren früheren Beitrag über Nachweise zur Verbreitung von Umweltgiften per Rindenmonitoring oder https;//enkeltauglich/wp-content/uploads/2019/02/V02_BEL_19_Abstract_BioFach.pdf oder tieminfo.de/Publikationen/)

Welche Dimensionen Lebensraumverlust und – verschlechterung  angenommen haben, lässt sich am Verlust von Dauergrünland zwischen 1997 und 2016 in Höhe von 120.000 ha beziffern. Von den verbliebenen 327.000 ha wiesen im Jahr 2019 nur noch 3000 ha artenreiches Grünland auf. (Jahresbericht zur biologischen Vielfalt des Landes S-H)

Diese Entwicklung dokumentiert das totale Versagen der praktizierten Naturschutzpolitik in Schleswig-Holstein. Das gewaltige Artensterben ist das Zeichen eines grandiosen Scheiterns,  die Summe  der bisherigen Maßnahmen ist absolut unzureichend. Noch immer werden die eigentlichen Verursacher verschont, obwohl sie Schäden in Millionenhöhe an der Natur verursachen.

Welchen Stellenwert der Natur- und Artenschutz in SH wirklich hat, wird in Wahlstedt sehr deutlich.

Im Jahr 2006 wurde mit dem B-Plan Nr. 1 ein Industriegebiet inmitten eines bedeutenden Lebensraums der Knoblauchkröte errichtet.

(https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/amphibien-und-reptilien/amphibien/artenportraets/10692.html)

Um die erheblichen Habitatverluste möglichst gering zu halten, wurden Teile der überplanten Flächen für Knoblauchkröte, Moorfrosch und andere Amphibien sowie Eidechse, Blindschleiche und andere Tiere freigehalten und Schutzmaßnahmen vorgeschrieben. (vgl. B-Plan Nr. 1, 2. Änderung) Darüber hinaus musste sich Wahlstedt vertraglich verpflichten, im Bereich der Alten Ziegelei in Fahrenkrug ein Habitat für die Knoblauchkröte zu errichten.

In den vergangenen Jahren ist auf diesem Gelände ein Biotop mit arten- und strukturreichem Bewuchs entstanden. Durchzogen wird das Gelände von einer tiefen Schlucht, die von dem Überlauf des Birkenbruch-Biotops gebildet wird, das sich in zentraler Lage im Industriegebiet Holsteinstraße befindet.

Dieses Biotop soll nach dem Willen Wahlstedts und eines anliegenden Betriebes zerstört, planiert und mit riesigen Lagerhäusern bebaut werden. (siehe Protokoll der Verbandsversammlung des ZVM Bad Segeberg-Wahlstedt vom 30.09.2021, nachzulesen im Sitzungskalender der Stadt Segeberg)

Knoblauchkröten sind europaweit geschützt nach der FFH-Richtlinie (Anhang IV) und „streng geschützt“ nach Bundesnaturschutzgesetz. Streng geschützte Arten dürfen nicht gefangen, verletzt oder getötet werden. Außerdem ist es verboten, sie durch Aufsuchen ihrer Lebensstätten zu beunruhigen. Die Knoblauchkröte steht auf der bundesweiten  Roten Liste in der Kategorie „stark gefährdet“.

Wahlstedt treibt die Zerstörung der Biotope mit Hilfe des Zweckverbandes Segeberg- Wahlstedt voran. Am 30.09.2021 erfolgte der Aufstellungsbeschluss zum B-Plan Nr. 1, 4. Änderung, auf der Sitzung der Verbandsversammlung.

Die entsprechenden Flurstücke mit einer Gesamtgröße von 2,668 ha sollen zu einem Einheitspreis verkauft werden. Als Planungsziele werden genannt: Die Rückumwandlung der mit der 2. Änderung des B-Plans 2006 festgesetzten öffentlichen Grünflächen zu Industrieflächen und die Ermöglichung der Betriebserweiterung eines bestehenden Gewerbebetriebes.

Soviel vorerst zum Stellenwert von Natur- und Klimaschutz vor unserer Haustür. 

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