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STELLUNGNAHME ZUR AUSWEISUNG DES INDUSTRIEGEBIETES IN WAHLSTEDT

(B-Plan Nr. 32 und 37. Änderung des Flächennutzungsplans Nr. 1)

1. Grundsätzliche Situation in Wahlstedt

Als Industriestandort ist Wahlstedt von vielfältigen Immissionen betroffen.

Das bedeutet eine erhebliche Vorbelastung für die Bevölkerung: Chemische Gerüche, Asphaltgestank, tägliche Geräuschentwicklung, nächtlicher Krach und Lichteinwirkung aus dem Westen, LKW-Durchgangsverkehr in alle Richtungen, Gestank, Lärm, aus dem Osten nächtliches Licht und erhebliche Belästigungen von der Autobahn und der Hähnchenmastanlage, großflächige Maisagrarwüste und Güllegestank aus dem Norden, LKW- Verkehr und Lärm durch Steinbrecher aus dem Südwesten.

Hinzu kommt, dass anscheinend eine Brechanlage im Osten geplant ist.

Die Belastungsgrenze der Bevölkerung ist erreicht, teilweise überschritten!

Deshalb widersprechen wir der Ausweisung eines weiteren Industriegebietes.

 2. „Katze im Sack“

Es wird ein Gewerbegebiet überplant, dessen spätere Nutzung noch nicht bekannt ist.

Es fehlt eine Negativliste, also eine Festsetzung, welche Anlagearten im Bereich des Bebauungsplans ausgeschlossen werden sollen, als verbindlicher Teil des Bebauungsplans (vgl.  OVG NRW – Urteil vom 30.09.2005, AZ 7D142/04.NE-).

Nur dann könnte die Bevölkerung abschätzen, welche künftigen Immissionen zu erwarten sind.

Die späteren Ausmaße dieses Industriegebietes bleiben vage. Die angeführten „Optionen auf Erweiterung“ in nördlicher und östlicher Richtung lassen künftige Dimensionen befürchten, deren Größe die Fläche der angrenzenden Wohnbebauung dominieren könnte.

Wir vermissen Klarheit über künftige Planungen und Dimensionen (36 ha).

Es besteht keine Rechtssicherheit für die Beibehaltung des jetzigen Ist-Zustandes (siehe der aktuelle Versuch zur Änderung des B-Plans Nr. 32, der aus einem Gewerbegebiet ein Industriegebiet machen soll). Darüber hinaus soll in einer dritten Änderung des Flächennutzungsplanes Nr. 1 die Ansiedlung einer Brechanlage genehmigt werden, die von der nächtlichen Beschränkung  befreit ist.                                                                       

Wir befürchten für die Zukunft ähnliche, den Firmeninteressen angepasste  Änderungen.

3. Verkehrsentwicklung

Die erwartete Zunahme des Verkehrs wird die Situation für die Anwohner der Kieler Straße, des Blocksbergs und der angrenzenden Wohngebiete noch verschärfen. Im Lärmgutachten noch nicht berücksichtigt wurde der LKW-Verkehr der geplanten Brechanlage.

Laut Lärmgutachten werden die Anhaltspunkte für Gesundheitsgefahr von 70db(A) tags und 60db(A) nachts bereits jetzt zum Teil überschritten.

Es fehlt ein schlüssiges Verkehrskonzept  zur Reduzierung  des Durchgangsverkehrs und der vorhandenen Lärmimmissionen,  das mit seinen Schallschutzmaßnahmen über geplante „Einzelfallmaßnahmen“ hinausgeht.

Der eventuell möglichen Industriegleisanbindung des geplanten Industriegebiets widersprechen wir nachdrücklich wegen der zu erwartenden nächtlichen Störungen.

4. Lärmschutzgutachten

Das Lärmschutzgutachten wurde auf der Basis von Durchschnittswerten errechnet.

Dabei wurden einige Aspekte ausgelassen bzw. verändert: Bei der Vorbelastung wurden die Autobahn 21 und die B 205 nicht berücksichtigt. Darüber hinaus wurden die lautesten Betriebe im Geltungsbereich des B-Plans Nr. 1 bei der Berechnung der nachts zulässigen Grenzwerte nicht einberechnet, da sie „im Nachtzeitraum nicht beschränkt werden sollen“.

Die Ermittlung der Gewerbelärm-Immissionen wurde, abweichend von der DIN 45691, unter Einbeziehung  der Bodendämpfung berechnet.

Der Versiegelungsgrad des neuen Gewerbe- und Industriegebietes wird bei 0,8 bis 0,9 GFZ liegen, darum hätte keine Bodendämpfung in die Untersuchung einfließen dürfen.

Die Prüfung, ob ein Betrieb die Immissionsprognosen einhalten wird, sollen abweichend von DIN-Normen (DIN ISO 9613 – 2) ermittelt werden. Das bedeutet, dass deren Ermittlung u.a. ohne Berücksichtigung der Geländehöhen (Anmerkung: Ein Teil des Geländes soll bis zu einem Meter aufgeschüttet werden), ohne Meteorologie-Korrektur (Windrichtungen und –stärken) und ohne Ruhezeitenzuschlag erfolgen soll.

Nicht berücksichtigt wird ebenfalls, dass das überplante Gelände teilweise gegenüber der Wohnbebauung ansteigt, Lärmimmissionen also bis weit in die Wohngebiete übertragen würden.

Ein Lärmschutzwall oder breiterer Gehölzstreifen zum Schutz der unmittelbar angrenzenden Wohnbebauung fehlt in der Planung völlig.

Der in der Berechnung angewandte db(A)-Wert stellt eine Durchschnittsberechnung  auf Basis der mittleren Töne dar. Hohe oder tiefe Töne finden bei diesem Ansatz keine Berücksichtigung. Dabei werden sie vom Menschen als besonders belastend empfunden.

Db(A)-Werte lassen sich auf Grund der großen Frequenzbreite nicht in Dezibel umrechnen.

5. Abstandsgebot

Ein Abstandserlass regelt die Entfernungen von Industrie- bzw. Gewerbegebieten zu Wohnbebauungen. Für alle Industrie- und Gewerbeanlagen gibt der Erlass Mindestabstände vor.

Für die Festlegung des Abstands von Industrieanlagen zu schützenswerten Nutzungen, wie z.B. Wohngebäuden, kann für die Bauleitplanung der Abstandserlass des Landes NRW herangezogen werden, der in Schleswig-Holstein zwar nicht offiziell eingeführt ist, von der Rechtsprechung jedoch berücksichtigt wird.

Dieser gibt z.B. als unteres Maß einen Mindestabstand von 100m zwischen nicht erheblichem Gewerbe und Wohngebäuden an.

Der Abstand zwischen einer Brechanlage und der angrenzenden Wohnbebauung  z.B. soll mindestens 300m betragen.

In der Planung fehlen die Abstandsangaben zu Wohnnutzungen, Spielplätzen und öffentlichen Gebäuden (Bahnhof) völlig.

Die Abstände des geplanten Industriegebiets (von 150 - 200m) zur Wohnbebauung unterschreiten die festgelegten Abstandsvorschriften (Abstandserlass NRW).                       

6. Schutzgut Mensch

Für die Betrachtung des Schutzgutes Mensch ist neben gesundheitlichen und regenerativen Aspekten die Wohnqualität von entscheidender Bedeutung.

Dieser Aspekt wurde in der Planung völlig ausgeklammert.

Die Wohn- und Lebensqualität der Bevölkerung ist abhängig von Immissionen jeglicher Art und würde künftig deutlich beeinträchtigt. Dies betrifft insbesondere Schall, Luftschadstoffe, Gerüche und visuelle Beeinträchtigungen.

Die Bedeutung der Erholungsnutzung  wird in der Umweltstudie zu gering bewertet. Die Verfasser der Studie ignorieren, dass der Segelflugplatz von Wahlstedt ein beliebtes Ausflugsziel von Familien mit Kindern ist und im Sommer stark frequentiert wird.

Das Entstehen zusätzlicher Licht-Immissionen im Baugebiet, die wegen der geringen Entfernung zur Wohnbebauung  in erheblichem Umfang wahrgenommen wird, führt zu negativen Auswirkungen auf die Nachtruhe.

Schon heute überstrahlen verschiedene Industriebetriebe in Wahlstedt den nächtlichen Himmel.

Das Umweltgutachten stellt zudem fest: „Durch die großformatigen neuen Baukörper mit einer Höhe bis zu 25,0m wird eine starke Beeinträchtigung des Landschaftsbildes verbleiben.

Wir befürchten ferner, dass es durch die Nähe zu einem riesigen Industriegebiet einen erheblichen Wertverlust  unserer Grundstücke geben wird. Bei einem Verkauf wird ein Käufer schwer zu finden sein bzw. weniger zahlen wollen.

Für viele von uns steht damit die Alterssicherung auf dem Spiel.

7. Schutzgut Biotope

Das Umweltgutachten stellt fest: „Von den Planungen sind hochwertige Biotope mit hoher Bedeutung für den Naturschutz betroffen.“

Der Eingriff wird als „insgesamt erheblich und nachhaltig“ bezüglich seiner Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Boden und Wasser bezeichnet. Betroffen sind ca. 1800m Knicks und bis zu 36ha naturnaher Boden. 54 Bäume sollen gefällt werden, davon vier Höhlenbäume.

Die Bedeutung des Biotopverbrauchs ist auch anhand der Größenordnung der Ausgleichsmaßnahmen ersichtlich (siehe Bioplan des Gewerbeflächen-Entwicklungskonzepts ZVM).

Die überwiegenden Ausgleichsmaßnahmen sollen in der Gemeinde Gladebrügge durchgeführt  werden. Das ist nicht zu akzeptieren, die örtlich beeinträchtigten Tierpopulationen werden in keiner Weise davon profitieren. Zudem wird es Jahre dauern, bis sie ihre volle Ausgleichsfunktion erfüllen.

8. Schutzgut Tiere und Pflanzen

„Der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art darf nicht zerstört oder verschlechtert werden.“ (Fachgesetz zum Artenschutz)

Dieser Grundsatz soll hier außer Kraft gesetzt werden.

Gemäß Umweltgutachten ist dieses Gebiet ein relativ arten- und individuenreicher Vogel-Lebensraum.

Im Planungsbereich wurden 28 Vogelarten ausgewiesen, davon drei hier gefährdete Arten und vier bundesweit gefährdete.

Die Fledermaus gilt als streng geschützte Art: Es wurden sechs Fledermausarten konkret nachgewiesen, darüber hinaus als Überwinterungs- oder Wochenstubenquartier geeignete Baumhöhlen in größerer Zahl festgestellt.

Das Baugebiet ist als Fledermaus-Lebensraum zu betrachten und sollte unseres Erachtens geschützt und bewahrt werden.

Die besondere Lichtempfindlichkeit der Fledermäuse wurde erst kürzlich publiziert.

„Die Gewerbegebietsplanung Kieler Straße in Wahlstedt liegt innerhalb eines der Vorkommenschwerpunkte der Haselmaus in Schleswig-Holstein.“ Haselmäuse sind stark gefährdet und streng geschützt. Ihr Vorkommen im Planungsgebiet wurde nachgewiesen und sollte unseres Erachtens nicht gestört werden.

Nach Aussage des Umweltgutachtens soll es gegenwärtig keine Amphibien im Planungsgebiet geben.

Dieser Aussage müssen wir entschieden entgegentreten. Jährlich kann man sich von der Amphibienwanderung der Kröten und Frösche über die Kieler Straße und den Bahndamm hinweg selbst überzeugen.

Das Gebiet der Holsteinstraße ist „Teil eines landesweit bedeutenden Amphibien-Schwerpunktraumes.“ (B-Plan Nr. 1, 2. Änderung) Im Umkreis von ca. 500m wird von etwa 2700 laichenden Paaren ausgegangen.

Moorfrösche wurden nördlich des Planungsgebietes und im Regenrückhaltebecken Großhörn nachgewiesen.

Auch sonstige Tiergruppen wie Libellen, Käfer, Schmetterlinge und andere sollen nicht vorkommen.

Dies widerspricht jeder Lebenserfahrung. Ein Gelände, das Jagdrevier von Fledermäusen ist, muss auch Insekten beherbergen.

9. Schutzgut Grundwasser und Boden

Die Auswirkungen der Planungen auf Grundwasser und Boden werden als erheblich und nachhaltig beschrieben.

Die Grundwasser-Neubildung wird weitgehend eingeschränkt.

Durch den hohen Grundwasserspiegel in 0,3 bis 1,7m Tiefe wird durch die Baumaßnahme direkt in das Grundwasser eingegriffen.

Wir befürchten, dass durch die wahrscheinlich erforderliche großflächige Grundwasserspiegel-Absenkung  Schäden an den angrenzenden Wohngebäuden  entstehen werden.

Das Umweltgutachten bescheinigt den Weide- und Ackerflächen zwar nur eine eingeschränkte Wertigkeit, doch vom naturschutzrechtlichen Ansatz her ist die Bedeutung des naturnahen Bodens wesentlich höher einzustufen. Es droht der Totalverlust auf sehr großen Flächen.

Die erforderlichen Erdaufschüttungen von ca. 1m im nördlichen Planungsbereich führen zu nachteiligen Bodenveränderungen.

Unsere Landesregierung ist angetreten, den ungehemmten Flächenverbrauch  zu reduzieren. Die Stadt Wahlstedt handelt mit ihren Planungen gegen entsprechende Verordnungen.

Zusammenfassung

Vor den Toren unserer Stadt existiert ein verborgenes wertvolles Kleinod – zu kostbar, um beeinträchtigt, versiegelt, zerstört zu werden.

Vielmehr sollten Überlegungen angestellt werden, wie wir es erhalten, verbessern und schützen können.

Verzichten Sie auf die Entwicklung des Gewerbegebietes Nr. 32!

Die Einwirkungen auf die Anwohner dieser Stadt sind so gravierend, dass die Lebens- und Wohnqualität sinken würde.

Angesichts der wertvollen Biotope und der vielfältigen Tierpopulationen wäre in diesem Gebiet jeder Eingriff eine Sünde gegen die Natur.

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Aktuelle Ergänzung

Fristgerecht haben wir obige Stellungnahme im Rathaus abgegeben. Unterschrieben hatten binnen weniger Tage 411 Bürger.

Die meisten Menschen hatten von den Planungen nichts gewusst!