Vielfach klagt man über geringe Wählerbeteiligung und vermeintliches Desinteresse von Bürgern an der Politik.
Doch sicher steckt mehr dahinter als Gleichgültigkeit, wenn z.B. bei Kommunalwahlen nur etwa 30 Prozent Wahlbeteiligung herrscht.
Manches Problem ist der Demokratie geschuldet. Eine Partei tritt mit Wahlversprechen in den Wahlkampf, kann aber auf Koalitionspartner angewiesen sein, wenn sonst keine Regierungsmehrheit zustande kommt. So muss die angetretene Partei infolgedessen auf abweichende Ziele des Partners eingehen.
In anderen Fällen treten in der Regierungszeit unerwartete Probleme auf, die die Politiker berücksichtigen müssen (z.B. außenpolitische Konflikte, Katastrophen, wirtschaftliche Veränderungen). Oder Prognosen erweisen sich als falsch und erfordern rasches Handeln.
Manchen Sinneswandel aber kann der Bürger nicht nachvollziehen, da Entscheidungsprozesse intransparent sind. Eine bedeutende Rolle spielt hier der Einfluss potenter Interessengruppen. So gehen einflussreiche Finanzträger oder ihre Vertreter in Parlamente und Regierungen oder profilierte Politiker besetzen kurzerhand hochrangige Managerposten in der Wirtschaft.
Einschlägige Seminare wie „Was kann die Politik für die Wirtschaft tun?“ und enthüllende Skandale oder Pleiten kennen wir alle. Besonders groß ist die Empörung nach Fehlentscheidungen wie in Sachen Fehmare-Spaßbad oder bei der Pleite der HSH-Bank oder der „Bankenkrise“ generell.
In allen Fällen zahlen nicht verantwortliche Politiker, sondern die Steuerzahler die Zeche („Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren“).
Zusätzlich wirken auch die Nadelstiche des lokalpolitischen Alltags oft sehr schmerzhaft auf die politische Motivation von Otto Normalverbraucher:
Mangelnde Unterhaltung und jahrelanger Zerfall der Straßen führt zu hohen Straßenausbaubeiträgen für die Bürger.
Belästigende Industriebetriebe wurden angesiedelt. Das bürgernahe Entwicklungsziel „Belebung des Bahnhofsumfeldes“ gab man auf zu Gunsten der Ausweisung eines Industriegebiets. Die Neuplanung von Industrieflächen lässt eine Negativliste vermissen. Die zunehmende Verschuldung der Stadt schränkt den gestalterischen Spielraum für die Zukunft stark ein.
Hinsichtlich der Industrieansiedlung in Wahlstedt haben wir folgende
Bedenken: Politiker betonen, Betriebe, die sich in Wahlstedt ansiedeln wollen, würden sorgfältig ausgewählt. Die Realität sieht jedoch anders aus. Beispielsweise errichtete man ein Asphaltmischwerk in unmittelbarer Nähe zur Wohnbebauung. Warum wurde das nicht verhindert? Belastungen durch Feinstaub, Lärm, Gestank und starken Schwerlastverkehr sind die Folge.
Laut bestehendem, noch gültigem Bebauungsplan wurde für das Gebiet an der Wahlstedter Holsteinstraße die Ansiedlung von Tankstellen und Speditionen ausgeschlossen („generell nicht zulässig“; B-Plan Nr. 1, 2. Änderung), um zunehmenden Straßenverkehr zu verhindern. Trotzdem gibt es dort heute zwei Tankstellen auf Firmengelände und zwei Fuhrunternehmen. Wie ist das möglich?
Ebenfalls für dieses Gebiet wurden Lärmgutachten erstellt, Lärmschutzwälle errichtet und Lärmkontingente festgelegt. Diese Schallleistungspegel sollten sicherstellen, „dass keine zusätzlichen Lärmbeeinträchtigungen auf die angrenzenden Wohngebiete ausgehen werden.“
Warum werden die Bürger Wahlstedts trotzdem nachts durch den Lärm der Glasreycling-Anlage geweckt?
Weitere Gründe für unser Misstrauen: Wenn ein bereits bestehendes Industriegrundstück verkauft wird, hat die Stadt kaum Einfluss mehr auf seine Weiterverwendung, wenn keine Negativliste existiert, die bestimmte Betriebe von vornherein ausschließt.
Warum gibt es keine Negativliste?
Die Stadt hätte Vorsorge treffen können, indem sie Industrieflächen nicht verkauft, sondern verpachtet, sich ein Vorkaufsrecht einräumen lässt oder eine Veränderungssperre erlässt. Warum wurde das versäumt?
Abschließend sei gesagt, dass wir den Entscheidungsträgern zwar viele besorgte Fragen zur Planung des neuen Industriegebiets stellen können.
Aber sollten sie ehrlich antworten wollen, dürften sie es in all den Fällen nicht, in denen sie zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.
Und das ist vermutlich in den meisten Fällen zutreffend.
Das Einholen von Stellungnahmen Sachverständiger zu diversen Umweltaspekten (Boden, Wasser, Flora und Fauna, Lärm…) im Vorfeld der Erstellung von Bauplänen gehört zu den Hausaufgaben der Planer.
Derartige Stellungnahmen verursachen naturgemäß hohe Kosten und sollen natürlich zielführend sein. Also gilt das Motto „Kosten sparen und Unschönes verschweigen oder verharmlosen“.
Wie sonst lässt sich erklären, dass für den Bereich „Flora und Fauna“ manche Gesichtspunkte erstaunlich kurz abgehandelt werden oder die Stellungnahme einer bedeutenden Naturschutz-Organisation unter Verschluss gehalten wird?
Und ist es verwunderlich, dass die „Schalltechnische Untersuchung zum B-Plan Nr. 32 der Stadt Wahlstedt vom 11.01.2018“ nicht normgerecht nach DIN 45691 ausgeführt wurde, sondern mittels einer 2006 (wegen Unzulänglichkeit und Mängeln) abgeschafften Methode?
Hier gilt anscheinend das Sprichwort „HE WHO PAYS THE PIPER CALLS THE TUNE“ (Wes Brot ich ess, des Lied ich sing).